BLOGDas Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten wird seit über 25 Jahren verhandelt. Nun soll es ratifiziert werden. Dabei gilt es zu bedenken, dass Handelsabkommen mit der EU für Mercosur-Staaten oder Australien unattraktiver geworden sind, weil der europäische Binnenmarkt relativ zum Welteinkommen kleiner geworden ist, die Anforderungen der Europäer an Standards aber größer geworden sind. Bei CONVOCO! wurde viel darüber diskutiert. Lesen Sie hier eine Auswahl an Meinungen und Analysen.
Freihandel als Chance und Notwenigkeit

Was wir erleben ist eine Bilateralisierung der Welthandelsordnung, also, dass die großen Blöcke untereinander Arrangements finden […] Jetzt könnte man sagen, wir haben endlich einmal ein Abkommen zwischen EU und USA. Es ist nicht wirklich zum Vorteil Europas, aber auf jeden Fall ist es bilateral und nicht multilateral. Auch das Mercosur-Abkommen, das ich begrüße, […] ist ein Substitut für den Multilateralismus, der nicht in der Weise liefert, wie er liefern sollte. Daher ist die Freude über Mercosur groß bei mir, aber nicht ungetrübt. Dieses Geflecht von bilateralen Abkommen, das wächst und komplex ist, kommt mit Schwierigkeiten daher. Wir hätten lieber ein einheitliches Handelssystem mit einheitlichen Regeln über alle Länder hinweg. Aber es zeigt schon, dass Fortschritt möglich ist. Die Idee ist, dass Länder, die weiter an den Rechtsstaat oder an die Priorität von Recht glauben, etwas tun können. Wir sind nicht verdammt, einfach zuzusehen, wie das internationale Völkerrecht oder das Wirtschaftsrecht korrodieren. Wir können etwas tun. Und der Mercosur-Deal nach 25 Jahren Verhandlungen ist sicherlich ein Zeichen dafür.
C! Podcast #146 Europas Binnenmarkt: Ein zu schwaches Schild?

Die Legitimation eines vereinten Europas hängt nicht zuletzt von seiner Fähigkeit ab, den Bürgerinnen und Bürgern eine wirtschaftliche Perspektive zu geben […] Der Mechanismus, der dies garantiert, ist freier und regelbasierter Handel. In einer Welt, die sich im Umbruch befindet, ist es dabei wichtig, dass Europa die Regeln der Globalisierung nach seinen Standards mitgestaltet. Die in der Diskussion befindlichen Handelsabkommen mit dem Mercosur und Vietnam sind hierbei Vorbilder, denn diese Verträge regeln nicht nur den Abbau von Zöllen, sondern verpflichten alle Vertragsparteien zur Einhaltung europäischer Standards bei der Güterproduktion, dem Umweltschutz und dem Umgang mit privaten Daten europäischer Bürger.
C! Edition Der Wert Europas in einer bedeutsameren Weltgeschichte

Wir werden im nächsten Jahrzehnt eine andere Form von Weltwirtschaft erleben als in den letzten 30 Jahren und über die Globalisierung aus geopolitischer und geoökonomischer Perspektive neu nachdenken müssen. Freihandelsabkommen erlauben uns in dieser veränderten Welt nicht nur, die Vorteile der Globalisierung, wie Offenheit, Integration und Handel voranzutreiben, sie sind auch aus geopolitischer Sicht von großer strategischer Bedeutung. Das Mercosur-Abkommen würde eine der größten Handelszonen weltweit schaffen und damit auch ein Gegengewicht zu bestehenden Freihandelsabkommen bilden, wie beispielsweise dem RCEP-Abkommen im asiatischen Raum. Ein bestehendes Abkommen mit dem Mercosur wäre ein festes, freundschaftliches Band in den südamerikanischen Raum und schließt Länder mit ein, die beim Stichwort Diversifizierung oft nicht an erster Stelle genannt werden, die aber über nicht unerhebliche Rohstoffvorkommen verfügen. […] Für die EU kann das Mercosur-Abkommen in einer sich verändernden und stark von Unsicherheit geprägten Weltlage ein wichtiges Puzzlestück zum De-Risking sein, das die außenwirtschaftspolitische Position gegenüber China und den USA stärkt und darüber hinaus ein möglicher Hebel im Hinblick auf die Verankerung globaler Nachhaltigkeits- und Umweltstandards ist.
Mit Convoco im Gespräch, 10/2023

Wir in Europa haben die Chance, das multilaterale System nicht nur mit Lip Service weiter zu pflegen, sondern mit unserer ganzen politischen Verantwortlichkeit und den Safe Haven für die Welt zu spielen, den die Amerikaner nicht mehr spielen wollen. Dass wir uns an Regeln halten, dass, wenn man mit uns einen Vertrag schließt, dieser Vertrag nicht in der nächsten Legislaturperiode des Europäischen Parlaments wieder zerrissen wird. Dass wir nicht die eigene Marktmacht einsetzen, um andere neokolonial zu erpressen. Die Verträge oder die Deals, die Trump macht, das sind genau solche Deals, wie damals der Westen mit China gemacht hat: Ungleiche Verträge. Wenn wir in Europa gegenüber den kleinen und ärmeren Ländern deutlich machen, dass wir das nicht machen, dann können wir uns als verlässlicher Anker, als Safe Haven, für diese Welt, wo die Amerikaner zurzeit nicht mitspielen, darstellen. Ich bin mir sicher, dass das am Ende des Tages auch für uns in Europa Wohlstand sichert. Also nicht abschotten, Handelsabkommen schließen und den Rest des Multilateralismus, den es gibt, hochhalten, sozusagen als letzte Bastion in diesem Sturm. Wir können uns das leisten und ich glaube, es ist auch die ökonomisch klügere Strategie.
Panel C! Forum 2025
Der Durchbruch, wie die WTO geschaffen wurde, war ein Kompromiss zwischen Europa und USA […] und der Rest der Welt musste sich anschließen. […] Diese Welt haben wir nicht mehr. Die Frage ist nur, wie kommt man zu einer WTO 2.0? Die Vorstellung, dass Europa sozusagen im Führungshaus sitzt, die muss man aufgeben. Das muss eine gemeinsame Anstrengung sein von den Ländern, die ein großes Interesse daran haben, dass die Rules-Based-Order weitergeht. Wir haben viele kleine Länder in der Welt, die potenziell sehr leiden würden, wenn alle großen Volkswirtschaften, nicht nur die USA und China, statt mit internationalem Recht, mit ihrer eigenen Stärke agieren. […] Die Herde der Gleichgesinnten muss ohne expliziten Hegemon oder Anführer in der Lage sein, die Regeln für sich zu etablieren, die es braucht, um Wohlstand zu sichern und nicht erpressbar zu sein durch die großen Wirtschaftsmächte der Welt.
C! Podcast #146 Europas Binnenmarkt: Ein zu schwaches Schild?

Wir wollen uns diversifizieren. Vielleicht gefällt uns manches nicht, was in den Mercosur-Staaten passiert, aber es ist sehr viel leichter, darauf Einfluss zu nehmen, wenn man mit ihnen im Austausch ist.
Panel C! Forum 2023

Bei der Alternative, das Abkommen nicht abzuschließen, liegt klar auf der Hand, was dann passiert: Die Chinesen gehen nach Lateinamerika. Die sind schon da. Die geostrategische Bedeutung ist heute das eigentlich starke Argument für diese Handelsabkommen. Gar nicht mehr so sehr die Wohlstandsmehrung.
Panel C! Forum 2023
Überfrachtung von Handelsabkommen
Im Mercosur-Abkommen sind Regelungsbereiche aufgenommen, für die die EU keine ausschließliche Kompetenz besitzt – wie bereits bei TTIP und CETA. Die Abkommen werden dadurch zu komplex und daher zu wenig präsent in der öffentlichen Wahrnehmung. Das macht sie angreifbar. Schon einfache negative Narrative – etwa über „schlechtes Rindfleisch“ – können die Stimmung kippen.

Zu denken, dass man die eigenen Vorstellungen, wie man richtig lebt und wie Demokratie richtig ist, jetzt überstülpt und sagt: „Wir reden und handeln nur mit denen, die da genau unseren Vorstellungen entsprechen“ – ich glaube, da verhebt man sich.
Panel C! Forum 2023

Ich glaube, dass eine Politik, die relativ absolut sagt, „Mit denen sollten wir nicht handeln, weil es da Demokratieprobleme gibt“, eine Abschottung befördern würde. Die spannende Frage ist meines Erachtens eine andere. Sie lautet: Wie kann man die Handelspolitik der westlichen Staaten der Europäischen Union nutzen, um Veränderungen zu bewirken? Und das in dem Wissen, dass das so einfach und eindimensional, wie man einmal geglaubt hat, nicht gehen wird. Es geht darum, mit sanftem Druck Handelsstandards in diese Abkommen einzubauen.
Panel C! Forum 2023

Es ist auch ein Appell an Europa, wenn wir jetzt darüber nachdenken, andere Handelsabkommen abzuschließen, dass wir die Balance halten müssen, denn viele der bestehenden Handelsabkommen oder der neuen Handelsabkommen haben alle weiteren möglichen Inhalte, die nicht direkt mit dem Handel zu tun haben, die aber zu einer Überfrachtung dieser Abkommen führen. Vielleicht gibt es auch hier die Notwendigkeit, die Balance zu halten zwischen dem, was sinnvoll ist, was auch notwendig ist, um vielleicht bei wegbrechenden Absatzmärkten in den USA anderweitig Absatzmärkte zu finden, mit den vielen anderen Wünschen, die alle für sich legitim sind, aber vielleicht in der Prioritätenliste im Moment nicht ganz oben stehen sollten.
C! Lecture 2025

